Ausverkauft, nicht lieferbar und steigende Preise. Es dürften wohl viele von euch mitbekommen haben, in der Angelbranche gibt es schon länger ein echtes Problem. Aber dies betrifft nicht nur die Angelbranche. Viele haben mittlerweile mitbekommen, was die Ursachen dafür sind, aber sicher nicht jeder und vor allem nicht im Detail. Wir wollen euch auf diesem Wege etwas genauer über die Problematik aufklären. Carpytän Peter Schwedes hat die ganze Misere kurz und verständlich zusammengefasst. Durch seinen Job hat er etwas mehr Insiderwissen und lässt uns alle daran teilhaben. Zudem wollen wir damit auch mal eine Lanze für alle Firmen brechen, denn es liegt nicht daran das dort schlecht geplant wurde. Aber lassen wir Peter zu Wort kommen:
Wie Regal leer…? Die Rolle wird erst wieder in 8 Monaten geliefert…! Liefertermin ungekannt…? Was ist denn da los…?
Derartige Konversationen wird es in 2021 wohl auch in der Angelbranche zu tausenden gegeben haben. Angelzeug was einfach über mehrere Monate nicht lieferbar ist, zudem noch gestiegene Preise. Ein Ärgernis für uns alle. In erster Instanz schimpft man auf den Hersteller, bzw. Die Marke. Was in manchen Fällen richtig erscheint, ist in 2021 falsch. Wir befinden uns im ersten Drittel einer Rohstoff- und Logistikkrise. Hä, aber was hat das mit der Rolle, dem Bedchair oder dem Zelt zu tun was ich mir kaufen möchte?
Dazu muss ich etwas ausholen und mein „Hintergrund-Wissen“ etwas untermauern. Neben dem Angeln gehe ich einen ganz normalen Job nach. Ja der goldene Cayenne wurde vllt. Doch nicht nur von Zeitreise-Büchern finanziert, haha. Ich bin Vertriebsleiter eines Mittelständlers. Unser Kunden sind alle Discounter, Lebensmittelhändler und Baumärkte. Wir beliefern diese Kunden unter anderem mit Batterien und Leuchtmitteln die wir aus China importieren. Daher kenne ich das aktuelle Leid der Lieferketten leider nur zu gut. Wie unser Batterien und Leuchtmittel kommt ca. 90%, wenn nicht fast 99% unseres geliebten Tackles aus China. Ich höre jetzt schon viele wieder schimpfen…“scheiss Chinakram“ „alles keine Qualität “ „…bla bla …“. Dem muss ich widersprechen. In den letzten Jahrzehnten hat sich China, wie in vielen anderen Sparten, als Top-Spezialist für Angelzubehör entwickelt. Selbst, wenn alle großen Marken es wollten, Produktion nach Europa, oder Deutschland zu holen, ist mittelfristig völlig unmöglich. Davon kann man halten was man will, aber Fakt ist…somit sind wir alle in nahezu allen Branchen auf China angewiesen. Vom Toaster, zum Fernseher, über das Handy zu unserem geliebten Angelzubehör.
Aber warum sind den jetzt die Regale und Onlineshops leer, oder die Lieferzeiten so unfassbar lange?
Wie bei so vielem in den letzten 1,5 Jahren ist auch hier Corona der Ursprung allen Übels. Corona hat die bis ins kleinste Detail durchgetakteten Lieferketten komplett durcheinander gewirbelt.
Ich fange in der ersten Instanz der Lieferkette an. Den Zulieferern die z.B. einen Reißverschluss für ein Zelt an den Zelt-Produzenten liefern. Dieser kann auf unbestimmte Zeit nicht liefern. Grund: gestiegene Nachfrage. Andere Branchen werden vorgezogen, weil dieser mehr oder zu höheren Preisen abnehmen. Also bleibt die Produktion des Zeltes solange liegen, bis Reißverschlüsse lieferbar sind. Die Lieferung verzögert sich und der Zulieferer kann für den Reißverschluss mehr verlangen. Angebot – Nachfrage…ist die Nachfrage höher als das Angebot, steigen die Preise.
Hinzu kommen Covid-Fälle an den Häfen. Die Schließung eines Hafens verursacht über Wochen, wenn nicht Monate einen Rückstau. Ähnlich zu vergleichen mit den Staus auf der Autobahn. Einer bremst etwas zu hart und alle dahinter müssen einen ticken mehr bremsen. Am Ende steht alles und keiner weiss warum. Bis sich der Stau wieder aufgelöst hat, dauert es Stunden oder der Verkehr wird weniger. Genau das ist der Punkt. Der Bedarf an so ziemlich allem ist während Corona enorm gestiegen. Umso mehr lastet dann eine o.g. Hafenschließung auf der Lieferkette. Und wenn man bedenkt das die großen Containerhäfen Chinas zu beginn der Pandemie über mehrere Wochen komplett still standen, im Kombination mit den großen Mengen an Containern die dort tagtäglich verladen werden, kann sich jeder vorstellen, welche immensen Auswirkungen das auf die Lieferkette hatte. Die „Nachwehen“ halten bis heute an.
Dies war der Ursprung der leider immer noch anhaltenden Logistik-, bzw. Containerkrise!
Wie fast alles was aus China kommt, wird auch unser geliebtes Tackle in Containern auf Schiffen zu uns gebracht. Wie oben erwähnt regelt die Nachfrage und das Angebot den Preis. Aktuell gibt es ca. 30% zu wenig Container für all die Güter die in die Welt aus China verschifft werden sollen. Aufgrund des Mangels sind die Preise für Container nahezu explodiert. Hat man 2019 für einen 40 Fuß Container ca. 1.000-1.300$ bezahlt, muss man heute bis zu 20.000$ bezahlen. Ja genau richtig gelesen ZWANZIGTAUSEND! Aber selbst dann, weiß man nicht, ob man den Container bekommt, das Schiff auch wirklich abfährt und wie lange es braucht. Teilweise winkt auf der Hälfte der Strecke einer mit einem dicken Bündel Dollars und dein Container wird ohne Absprache abgeladen. Und das ist keine Fiktion, sondern ein Fakt. Auch direkt am Verladehafen kam es immer wieder vor, dass sehr große Firmen (Global Player) die ohnehin explodierten Preise nochmals überboten um Ihre Container schneller und in größerer Stückzahl nach Europa zu bekommen. Dafür blieben natürlich andere Container stehen. Quasi ein Teufelskreis, mit enormer Auswirkung auf die gesamte Weltwirtschaft.
Aber warum gibt es diese Container Knappheit?
Ein schwerwiegender Grund ist die Corona Politik der USA. In 2020 hat jeder Amerikaner einen Einkaufsvoucher vom 1.000$ bekommen. Sinn dahinter war, die coronageplante US-Wirtschaft schnell anzukurbeln. Was auch in gewisser Hinsicht passierte. Durch den künstlichen Kaufrausch, wurden Unmengen an in China produzierten Produkten in Containern nach USA geliefert. Die Anzahl der Container hat die Exportrate um ein vielfaches übertroffen. Hä, was ?!?!?! Ganz einfach: Die Container wurden entladen und die USA hatte nichts um diese voll nach China zurückzuschicken. Leere Container nach China zu fahren ist derzeit teurer, als diese einfach vor dem Hafen von L.A. liegen zu lassen. So fehlen der gesamten Lieferkette Container und die dazugehörigen Schiffe.
Aber wie wirkt sich der Containerpreis auf unser Tackle aus? Ganz einfach: je kleiner und teurer das Produkt, desto weniger wirkt sich der Containerpreis aus. Z.B. Handys sind sehr klein und teuer. In einen Container passen mehrere hunderttausende. Hat man jetzt ein Boot oder Liege, von den nur wenige hundert in einen Container passen, wirkt der Preis sich extrem aus. Und da die Container Preise sich so unglaublich gesteigert haben ist es für manche Produkte schon fast komplett unlukrativ sie überhaupt zu importieren, da die enormen Frachtkosten die Marge auffressen.
So jetzt aber genug vom trockenen Kram…macht euch ein Bierchen auf (wird in Deutschland gebraut) und wartet ab. In der zweiten Hälfte 2022 wird es besser…vermutlich, hoffe ich…ach keine Ahnung! Die Expertenmeinungen gehen da auseinander.
PS: Ach, da kommt auch schon der nächste Mist. Die chinesische Energiekrise. Was da noch auf uns zukommt, wird sich noch zeigen.
Peter Schwedes